Jeder von euch Hobbybrauern weiß, dass Lagerbiere kalt vergoren werden, um so den typischen cleanen Lager-Charakter ins Bier zu bekommen. In einem Vortrag von Fermentis über warm vergorene Lagerbiere, werden viele der klassischen Methoden über den Haufen geworfen.
Ich habe es für euch getestet!
- Lagerbiere können laut Fermentis auch warm (20°C) vergoren werden – mit der W34/70
- Trockenhefe muss nicht rehydriert werden – einfaches Aufstreuen genügt
- Gärfehler treten laut Studie eher bei zu kalter statt zu warmer Vergärung auf
- Warme Vergärung spart Zeit beim Brauen und Energie bei der Würzekühlung
- Trotz warmer Vergärung: 2-3 Monate Lagerzeit für optimales Geschmacksergebnis nötig
Inhaltsverzeichnis
Wie es dazu kam – der Vortrag
Warm vergorene Lager kennt ihr ja – z.B. das klassische California Common. Hier ist es aber das Ziel, die Ester Aromen und somit den Ale Charakter ins Lager zu bekommen. Man schafft also eine neue Kombination aus schlankem Körper mit Ale Aromatik.
Möchte man aber jetzt ein ganz klassisches cleanes Pils haben, dann gilt die Regel: Kalt vergären!
Fermentis hat in einem Vortrag behauptet, dass man ihre klassische W34/70 auch warm vergären kann und trotzdem ein cleanes Lager bekommt.
Diese Behauptung und einige weitere habe ich für euch hier im Beitrag zusammengetragen und natürlich auch praktisch ausprobiert.
Die klassische Methode vs. neue Erkenntnisse
Zunächst schauen wir uns einmal an, was traditionell schon immer so gemacht wurde und in fast allen Lehrbüchern auch empfohlen wird.
Traditionelle Methode
- Kaltes Anstellen (8-12°C)
- Rehydrieren der Trockenhefe
- Lange Gärzeiten
- Strenge Temperaturkontrolle
Bei der traditionellen Weise, die auch von mir so in den Beiträgen zur Trockenhefe rehydrieren und der Gärführung empfohlen wurde, wird UG immer kalt angestellt. Danach wird die Temperatur langsam angehoben und häufig bei 10-12°C vergoren.
Das führt zu längeren Gärzeiten und erfordert eine strenge Temperaturführung und Würzekühlung.
Außerdem soll die Hefe für ein perfektes Anstellergebnis rehydriert werden, da ein Aufstreuen die Hefe schocken könnte und so weiter.
Neue Methode laut Fermentis
- Anstellen bei 20°C (bis 25°C möglich)
- Hauptgärung bei 18°C
- Einfaches Aufstreuen der Hefe
- Gleiche Anstellmenge wie beim Kaltvergären
- Gärfehler angeblich erst bei kalter Temperatur !!
Laut Fermentis kann man bei der W34/70 nun ganz anders vorgehen: Erst einmal darf diese bei 20°C angestellt werden. Allein bei dieser Aussage bekommt der ein oder andere von euch sicher schon eine Krise.
Dann kann die Hauptgärung zwischen 16 – 18°C erfolgen, was ebenfalls deutlich über der empfohlenen Temperatur für cleane Lager liegt.
Und weil das nicht genug ist, sagt Fermentis, dass die Hefe einfach auf die Würze aufgestreut wird und man sie nicht rehydrieren muss.
Es wird aber explizit noch einmal darauf hingewiesen, dass trotz der Temperaturen die Anstellmenge der Hefe gleich bleibt. Das ist viel wichtiger als der Rest!
Jetzt wird es aber noch wilder: Fermentis behauptet sogar, dass die so gefürchteten Gärfehler erst bei sehr kalter Anstell- und Gärtemperatur auftreten. Je niedriger die Temperatur, desto höher das Risiko für eine verschleppte Gärung und mehr Off-Flavours. Demnach ist die Gärung bei 15-17°C reiner.
Sehr hohe Stammwürzen, z.B. 20°P können auch ein Grund für unreine Biere sein.
Diese Aussagen sind übrigens bei Fermentis in einer internen Studie bestätigt worden. Dort haben die Verkoster die Biere, die bei 12°C vergoren und bei 20°C vergoren, nicht unterscheiden können. Außerdem sagten Kunden, dass die S-189 auch bei 17°C vergoren werden kann, aber die W34/70 soll in dieser Hinsicht besonders sein.
Praktische Durchführung
Es hat eine Weile gedauert, aber dann wollte ich es einfach mal selbst ausprobieren. Für meinen Test habe ich mir ein ganz klassisches deutsches Pilsner Rezept geplant.
- Klassisches Pilsner Rezept mit W34/70
- Hefemenge: 2 Päckchen für 20 Liter bei 11,5°P
- 20°C angestellt und bei 18°C 7 Tage vergoren
- 7 Tage warm im Keg und dann 2 Monate lagern
Dafür würde ich normalerweise die S-189 verwenden, aber da in der Studie von Fermentis mit der W34/70 getestet wurde, habe ich diese genommen.
Da das Rezept hier nachrangig ist, habe ich es exklusiv für meine Patrons veröffentlicht.
Die Hefemenge habe ich ganz klassisch nach meiner Formel zur Hefeberechnung ermittelt: °P x Liter = Mrd. Zellen. Bei 11,5°P und 20 Liter somit genau 2 Päckchen Trockenhefe W34/70. ( 10 Mrd. Zellen pro Gramm Trockenhefe)
Nach dem Brautag habe ich die Hefe dann bei 20°C auf die Würze gestreut und dann die Gärführung auf 18°C eingestellt. Das wars 🙂
7 Tage später war das Bier fertig für die Reifung und Lagerung.
Ergebnisse und Bewertung
- Jungbier gewohnt unrund und nicht clean. Auch trüb!
- Auch nach 4 Wochen noch Ester wahrnehmbar
- Nach 2 Monaten sehr gut und nach 3 perfekt
Das Jungbier war unrund, so wie ich es von anderen Suden kenne, also klassisches Jungbieraroma und unrunde Bittere.
Auch nach 4 Wochen kalter Lagerung war das Bier noch nicht fertig. Auch hier hatte ich noch Jungbieraromen im Bier – leichtes Esterprofil, welches man nicht im Lager haben möchte. Die Bittere war aber schon gut.
Nach 2 Monaten war das Aromaprofil schon Lagerähnlich. Allgemein sehr rund und jetzt auch schon annähernd klar. Ich bin zwar kein Sommelier, aber ich konnte hier keine Ester wahrnehmen. Auch die Hobbybrauer aus Ascheberg waren der gleichen Meinung.
Persönlich empfand ich das Bier nach 3 Monaten richtig toll!
Das gibt es zu beachten!
In meinen Augen ist das Ergebnis zufriedenstellend – ganz anders, als ich es erwartet hätte. Wer das jetzt einmal nachmachen möchte, der sollte folgendes beachten:
- Anstellmenge unbedingt weiterhin wie bei UG
- Du brauchst eine Temperaturführung, sonst schießt es über 18°C – 20°C hinaus
- Wie sonst auch, brauchst du eine Reifezeit von 1-2 Wochen
- Am Ende braucht das Bier eine lange Lagerzeit, wie üblich
Abschließend dann die daraus resultierenden Vor- und Nachteile dieser warmen Vergärung.
- Würzekühlung nur auf 20°C
- Etwas weniger Energiekosten
- Eine Woche schnellere Gärung
- Gefahr, das Bier zu versauen
Es gibt zwar einige Vorteile, aber der große Nachteil ist, dass es ja unter Umständen doch nicht so gut funktioniert und dein Lager starke Ester im Aroma hat.
Praxistipps aus der Industrie
- 12°C anstellen und bei 12 – 14°C vergären (am häufigsten)
- 16°C anstellen und bei 12 vergären
- 17 – 20°C eher bei Craftbier Brauern
Während des Vortrags gab es weitere spannende Details zu den Verfahren der Kunden von Fermentis.
Demnach stellen die meisten kommerziellen Kunden von Fermentis bei 12°C an und vergären dann auch bei 12 – 14°C.
Eine weitere Variante, die häufig praktiziert wird ist, dass warm bei 16°C angestellt und dann bei 12°C vergoren wird.
Hippe Craftbier Brauer gehen dann noch einen Schritt weiter und vergären bei 17 – 20°C.
Es fehlt hier leider die Angabe, ob das alles unter Druck oder ohne erfolgte, aber da die Industrie häufig während der Hauptgärung drucklos vergärt, vermute eine Druckgärung höchstens in der Craftbier Ecke.
Was ist das Fazit?
Mein warm vergorenes Lagerbier ist nach 2-3 Monaten perfekt, so wie ich es auch kaltvergoren kenne. Doch hat sich das jetzt gelohnt?
Der Brautag war wegen der fehlenden Kühlung etwas schneller vorbei und auch das Anstellen war durch das einfache Aufstreuen schnell getan. Das war es aber auch schon – die eine Woche schneller fertig, interessiert mich bei 2-3 Monaten Lagerung nicht und die Ersparnis der Energiekosten sind auch nur minimal.
Dazu kommt, dass du ja auch die gleiche Menge Hefe brauchst und nach wie vor eine Reifung und Lagerzeit einbauen musst. Anders als sonst, hast du aber dann monatelang die Ungewissheit, ob das Lager wirklich clean wird.
Werde ich jetzt alle Lager warm vergären? Nein – aber ich werde das Thema mit den Temperaturen nicht mehr ganz zu penibel sehen und vielleicht auch mal etwas wärmer anstellen, zumindest mit der W34/70.
Allzeit gut Sud,
Tobi