Du stehst im Garten, hörst das Knistern deines Lagerfeuers und Rauch liegt in der Luft. So oder so ähnlich beginnt jeder Brautag von Helge Becher – ein Hobbybrauer, den ich in den letzten Monaten und Jahren sehr zu schätzen gelernt habe.

Helge ist nicht nur engagierter Hobbybrauer in unserer Discord Community – Helge ist der wohl bekannteste Hobbybrauer im deutschsprachigen Raum, wenn es um das Thema Steinbier geht.
Er hat sich diesem historischen Brauverfahren mit Hingabe zugeschrieben und so kommt jedes seiner Kreationen aus der Feuerschale und seinem speziell angefertigten Holzbottich.
Und weil das Thema auch für dich so spannend ist, habe ich Helge für einen Gastbeitrag auf Malzknecht.de gewinnen können.
Viel Spaß mit seinem Beitrag und unterstütz ihn durch Feedback und Support im Social Media 🙂
Vorstellung
Moin, mein Name ist Helge.
Als Hobbybrauer habe ich mich voll und ganz dem traditionellen Steinbier verschrieben.
In meinem Eichenbottich braue ich ausschließlich nach diesem alten Verfahren und widme mich intensiv seiner Geschichte. Es ist mir ein Herzensanliegen, das Brauhandwerk und die Bierkultur rund um das Steinbier zu erhalten und wo immer es möglich ist wieder in das Bewusstsein der Bierliebhaber zu rücken.
Daher geht allem vorangestellt mein Dank an Tobi, der diesem Gastbeitrag zugestimmt hat.
Einleitung und Geschichte
Steinbier beschreibt, auch wenn es im ersten Augenblick den Anschein macht, keinen definierten Bierstil sondern das Brauverfahren mit dem es erzeugt wird.
Wir können davon ausgehen, dass es zu den ältesten Methoden gehört die der Mensch zur Biererzeugung angewendet hat. Das Kochen mit heißen Steinen ist wahrscheinlich so alt wie das Kochen selbst.

Schon im grauen Altertum haben Menschen Flüssigkeiten mit glühenden Steinen erhitzt. Lange Zeit war diese Methode nicht exotisch, sondern gängige Praxis, die erst mit der Verbreitung und einer größeren Verfügbarkeit von feuerfesten Gefäßen zurückging.
Über die Jahrhunderte hinweg war das Steinbierbrauen in privaten Haushalten, vom Alpenraum bis Skandinavien und von Europa bis in die Tiefe Russlands, verbreitet. Nirgendwo auf der Welt wurde das Steinbier so lange professionell gebraut wie in Kärnten. Im 14. Jahrhundert wurde in Klagenfurt/ Kärnten das erste gewerbliche Steinbier gebraut.
Ursprünglich in der einfachen Landbevölkerung verbreitet, erlangte es immer mehr an Bedeutung und wurde auch innerhalb der Stadtmauern zu einem beliebten Getränk. Bis etwa Mitte des 16. Jahrhunderts erfuhr das Steinbier seine Blütezeit.
Ein bedeutendes historisches Datum ist der 29. September 1753, an dem Kaiserin Maria Theresia dem ersten Kesselbierbrauer die Brauberechtigung erteilte und damit der Konkurrenz den Weg bereitete.
Die Konkurrenz und Streitigkeiten zwischen den Anhängern der beiden Brauverfahren werden heute noch durch Unterlagen im Kärntner Landesarchiv belegt. Zeitweise hatte selbst die Österreichische Regierung die Absicht das Steinbierbrauen, zu Gunsten der neuen Brauart, einzustellen.
Aber erst mit der einsetzenden Industrialisierung begann der allmähliche Rückgang des Steinbiers, bis schließlich 1917 die letzte Steinbierbrauerei den Betrieb einstellte.
Auswirkungen des Brauprozesses auf das Aroma
Der Brauprozess ist die Grundlage für das unvergleichbare Geschmackserlebnis eines Steinbiers. Durch Holzfeuer erhitztes Gestein liefert dem Brauer die notwendige Wärme für den Brauprozess.

Dazu werden mithilfe von Zangen oder Gabeln die Steine aus dem Feuer entnommen und in den Maischbottich gelegt. Das glühende Gestein gibt dann die Hitze an das Brauwasser weiter. Am Stein haftende Kohle- und Rußpartikel tragen zum ersten charakteristischen Aromaprofil eines Steinbiers bei – den Raucharomen.
Nachdem die Einmaischtemperatur erreicht ist und eingemaischt wurde, werden die Temperaturrasten über das weitere Einbringen heißer Steine eingestellt. Die Temperatur kann von einem erfahrenen Brauer auf das Grad genau eingestellt werden. Sobald der erste Zucker aus der Stärke umgewandelt ist Karamellisiert dieser an der heißen Steinoberfläche.

Der Geruch vom karamellisierten Zucker und des Feuers schafft eine besondere Atmosphäre, die man später mit jedem Schluck schmecken kann.
Schon während der Maischearbeit bilden sich weitere typische Aromen eines Steinbieres, die aus meiner Sicht zum einen aus der Karamellisierung des Zuckers entstehen (hier reagiert der Zucker allein auf die Hitzewirkung) und zum anderen durch die einsetzende Maillard-Reaktion im näheren Umfeld der eingebrachten Steine (hier reagieren einfache Zucker mit Aminosäuren).
Diese zwei Vorgänge erhöhen den Extraktgehalt, bestimmen maßgeblich das Aromaprofil, binden Röstaromen und wirken auf das Mundgefühl ein. Nach dem Läutern der Würze wird diese auf die gleiche Art zum Kochen gebracht.
Dabei werden die gerade beschrieben Aromen verstärkt. Wer hier traditionell auf den Einsatz eines Holzbottichs setzt gewinnt daraus zusätzliche Struktur, durch die Extraktion der Tannine aus dem Eichenholz. Kräuter und Gewürze können je nach Einsatz einem malzbetonten, süßen, schweren Steinbier eine interessante Note mitgeben.
Die moderne Interpretation des Steinbiers
1982 braute die Brauerei Rauchenfels, in einer neuen Interpretation, ein Steinbier. Damit brachte sie es, 65 Jahre nachdem die letzte Steinbierbrauerei den Betrieb einstellte, zurück auf den Markt.
Dabei Unterscheidet sich der Prozess insofern, dass auf moderne Art bereitete Würze mit glühendem Gestein in Kontakt gebracht wird. Es setzt ein Effekt ein, den man vom Bierstachel kennt. In der modernen Interpretation von Steinbier wird das Bier herkömmlich gekocht, damit sind die Steine für die Würzebereitung als solches entbehrlich – aber für das gewünschte Aroma notwendig.
Leider hat es das Steinbier über diesen Vorstoß nicht wirklich zurück in die Gläser der Biertrinker geschafft. Dennoch kann man heute moderne Versionen dieser alten Braukunst von Leikeim und dem B. Gusswerk bekommen.
Ausrüstung für deinen Steinbierbrautag
Um ein authentisches Steinbier zu brauen und einen ganz besonderen Brautag zu erleben, benötigst du nicht viel.

Im Grunde hast du bestimmt schon viele Sachen zuhause die sich verwenden lassen, oder sie sind für wenig Geld zu beschaffen. Die Mengenangaben für das Brennholz und den Steinen beziehen sich auf einen Sud für ca. 20 Liter Ausschlagmenge.
Du benötigst zum Steinbier brauen:
- Eine Feuerschale
- Brennholz (ca. 2 Schubkarren, gut abgelagert)
- Granitpflastersteine (ca. 15 Stück, 6cm Kanntenlänge)
- Eine lange Grillzange (für den sicheren Transport der glühenden Steine)
- Einen Topf oder Thermoport mit Läutervorrichtung
- Ein Thermometer
- Ein Maischpaddel
- Optional: Ein Edelstahlkorb mit Dreibein (zum Herablassen der Steine in die Würze)
„Step-By-Step“ Temperaturführung, Fehlerquellen und Tipps für Hobbybrauer
Die Herausforderung beim Steinbierbrauen besteht darin die Temperaturen zum Einmaischen und für die Rasten genau zu treffen. Gehen wir die Arbeitsschritte einzeln durch, damit deinem Steinbierbrautag nichts mehr im Wege steht. Ich möchte dir erklären wie ich dabei vorgehe und worauf ich dabei achte.
Step 1: Feuer machen

Das Feuer spielt während des gesamten Brautags eine zentrale Rolle. Damit dir durchgehend ausreichend Energie zur Verfügung steht ist es erforderlich das du dich gut organisiert und dein Feuer richtig aufbaust.
Schon beim Anlegen der Feuerstelle achte ich darauf, dass das Feuer später auf einem großen Glutbett steht. Dazu brennt das Feuer bei mir bis zu einer Stunde bevor ich die ersten Steine hineingebe.
Das hat den Vorteil, dass die Steine ausreichend Hitze von unten bekommen. Wenn du auf Nummer Sicher gehen möchtest kannst du Grillkohle verwenden, die gibt lange eine große Hitze ab.
Für das eigentliche Feuer richte ich dann drei Glutnester ein, in denen ich später meine Steingruppen lege. Da sich die Glutnester einzeln öffnen und schließen lassen, können sich die Steine optimal aufheizen. Zuletzt ist es Wichtig, das Feuer ausreichend zu belüften.
Step 2: Steine aufheizen

Nachdem du ein schönes Glutbett geschaffen hast kannst du deine Steine dazu geben.
Hier gilt – je früher desto besser, denn dein Sud braucht viel Energie.
Für mich hat es sich bewährt die Steine in Gruppen einzusetzen. Dabei bilden 3-5 Steine eine Gruppe. Diese lege ich sobald das Feuer aufgebaut ist in ihr Glutnest.
Step 3: Temperaturführung

Zum Aufheizen des Brauwassers und zum Einstellen deiner Rasttemperatur kommen die Steingruppen dann rotierend zum Einsatz.
Das stellt sicher, dass immer heiße Steine zur Verfügung stehen. Der empfohlene Granit ist heiß, sobald dieser zu glitzern beginnt – oder spätestens tief rot glüht. Ich Empfehle dir jede Steingruppe mit jeweils gleichvielen Steinen zu versehen, so bekommst du schnell ein Gespür dafür, wie stark sich dein Sud pro Eintauchvorgang erhitzt.
Wer sich dazu entscheidet einen Edelstahlkorb zu verwenden sollte darauf achten, dass sich darin kein Malz sammeln kann. Körbe aus Stäben eignen sich gut! Ich selbst bin mittlerweile dazu übergegangen die Steine direkt in den Bottich zu geben.
Sobald die Heizleistung einer Steingruppe nachlässt gibst du sie zurück in ihr Glutnest und entnimmst die nächste aus der Reihe. So verlierst du auch nicht den Überblick darüber welche Steine als nächstes dran sind.
Solltest du wie Empfohlen auf die Granitpflastersteine setzen musst du kein Bersten oder Platzen der Steine befürchten. Im Verlauf des Brautags werden sie allerdings Risse bekommen. Nach dem Abmaischen steht dir ein schweißtreibender Arbeitsschritt bevor – das Aufheizen bis zum wallenden Kochen.
Sobald du das erreicht hast musst du nur noch nach und nach einzelne Steine in deinen Bottich geben um die Temperatur zu halten.
Schlusswort
Ich braue Steinbier, da das handwerkliche Brauen für mich mit einer großen Verbundenheit mit den Rohstoffen und den Elementen Feuer und Wasser einhergeht. Steinbier ist ein Brauprozess. Es lassen sich viele denkbare Bierstile in diesem Verfahren herstellen. Einige meiner Besten waren z.B. Weizen, Dubbel und Rauchbiere.

Die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Brennhölzer oder handwerklichen Vorgehensweisen öffnen dir zusätzliche Stellschrauben mit denen du dein Bier beeinflussen kannst. Und nur damit ich es gesagt habe, der Brautag ist anstrengend.
Steinbierbrauen ist körperliche Arbeit. Aber wenn ich mir nach einem Brautag, ein Glas meines selbstgebrauten Bieres einschenke, erfüllt es mich mit einer tiefen Zufriedenheit! Wenn du nun selbst einen Brauversuch starten möchtest, unterstütze ich dich gerne in deiner Vorbereitung. Gucke dazu auch auf meine Instagramseite @soegelner.steinbier oder schreibe mir via Mail an „[email protected]“.
Lieben Gruß und allzeit gut Sud,
Helge


